2. Dresden als Residenzstadt


Dresden, die Residenz der wettinischen Fürsten, war seit 1547, nachdem Herzog Moritz die Kurwürde und große Teile des Landbesitz der Ernestiner erworben hatte, die Hauptstadt des Kurfürstentums Sachsen Albertinischer Linie. Dieser Funktion als Residenz-stadt ist es in erster Linie zuzuschreiben, daß Dresden zu jener Bedeutung gelangen konnte, die sie im 18. und 19. Jahrhundert innehatte.
Als Residenzstadt den Gefahren ständiger Eroberungsfeldzüge besonders ausgesetzt, ließ Kurfürst August von Sachsen 1546 bis 91 die Stadt Dresden als Hauptfestung des Kurfürstentums ausbauen, bestehend aus einer doppelten 5 m hohen Mauer, 7 Bastionen, einem Wassergraben, Wällen und diversen vorgelagerten Schanzen. (8)
Um den Charakter der Residenz zu betonen, erfolgte in dieser Zeit auch ein Umbau der alten Burg auf linkselbischer Seite direkt am Brückenkopf zu einem repräsentativen Renaissance-Schloß.
Ein Jahrhundert später gelang unter der Regierung des Kurfürsten Johann Georg I. der politische, wirtschaftliche und kulturelle Aufschwung Sachsens nach den Kriegszerstörungen im 30jährigen Krieg und somit eine zweite Blütezeit Dresdens. (9)
Mit Friedrich August I., August dem Starken (10) , trat die Stadt in ihr Goldenes Zeitalter. Dem Repräsentationsbedürfnis Friedrich Augusts I., seit 1697 auch König von Polen, genügte die inzwischen altgewordene Reanissance-Stadt, in der noch ein Fünftel aller Häuser in Holzkonstruktion erbaut war, als Residenz nicht mehr. Durch den großen Brand der Neustadt (1685) wurde das rechtselbische Dresden nach einem Plan von Klengel mit einem symmetrischen, barocken Achsensystem völlig neu gestaltet. In diesem Streben nach Symmetrie und Ordnung spiegelt sich das ästhetische Ziel des absolutistischen Städtebaus in Residenzstädten. (11)
Ein Brand (1701) war auch der Anlaß für umfangreiche Schloßneuplanungen, die u.a. von bedeutenden Architekten, wie Pöppelmann, Knöffel oder Chiaveri, erarbeitet wurden. Aus finanziellen Gründen kam es jedoch nicht zu einem Schloßneubau. (12) Weitere Maßnahmen, die den Willen des Landesherren, Dresden zu einer prachtvollen Residenzstadt auszubauen, verdeutlichen, sind die 1708 und 1720 erlassenen baupolizeilichen Bestimmungen. Besonders das Baureglement von 1720, welches 1736 auch auf die Vorstädte ausgedehnt wurde, trug wesentlich zur Einheitlichkeit und Geschlossenheit des barocken Stadtbildes bei. Mit einer umfangreichen Bautätigkeit und der strengen Bauregelung schufen August der Starke und sein Sohn Friedrich August II. in wenigen Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts eine Stadt, die bald zu den schönsten europäischen Metropolen zählte und deren höfischer Glanz und luxuriöse Feste weithin berühmt waren. Zwinger, Schloß und katholische Hofkirche bildeten das fürstliche Zentrum, neben dem die barocke Bürgerstadt, überragt von der Kuppel der protestantischen Frauenkirche, lag. Einen lebendigen Eindruck der dicht bebauten Innenstadt mit ihrer spannenden Raumkomposition von Straßen und Plätzen, gesäumt von 5 bis 6stöckigen imposanten Barock-häusern, spiegeln die Vedutengemälde des Canaletto wider.
Im näheren und ferneren Umkreis der Stadt, eingebettet in die eindrucksvolle Landschaft, wurden durch August den Starken und dessen Sohn eine Reihe von Lust- und Jagdschlössern angelegt, so z.B. das Palais im Großen Garten, Schloß Pillnitz und Moritzburg. (13)
Außerhalb der Stadtmauer lagen auf Altstädter Seite zehn selbständige Gemeinden, die zu drei Vorstädten zusammenfaßt wurden: Wilsdruffer-, Pirnaische- und Seevorstadt. Jenseits des Weißeritzflusses erstreckte sich noch die ab 1670 rechtwinklig angelegte Friedrichstadt.
Durch eine verschwenderische und leichtsinnige Politik Friedrich August II. und seines allmächtigen Premierminister Graf von Brühl wurde das Land in eine desolate Lage manövriert und war im 1756 beginnenden Siebenjährigen Krieg den rivalisierenden Großmächten Preußen und Österreich schutzlos ausgeliefert.(14)
Sämtliche Vorstädte sowie etwa ein Drittel der Innenstadt wurden durch die Belagerung preußischer Truppen fast völlig zerstört. Ein beträchtlicher Teil der barocken Bausubstanz ging durch die Bombardierungen 1760 verloren. Nur langsam konnte sich das Kurfürstentum Sachsen aus der Niederlage gegen Preußen erholen. In der Residenzstadt gelang es im wesentlichen nur, die zerstörten Stadtteile in bescheidenen Stil wieder aufzubauen. 1807 wurde der sächsische Kurfürst Friedrich August III. durch Napoleon Bonaparte zum König erhoben, nunmehr Friedrich August I. genannt. Die königliche Hauptstadt erfuhr durch zahlreiche Kriegsaufwendungen für Napoleons Feldzüge auch weitehin keine nennenswerte Ausgestaltung. (15)

(8) Vgl. Eva Papke, Fortifikationsgeschichte, in: Dresdner Geschichtsbuch, hrsg. v. Stadtmuseum Dresden, Altenburg 1995, S. 23-44.
(9) Vgl. Martin Bernhard Lindau, Geschichte der Haupt- und Residenzstadt Dresden von der frühesten bis auf die gegenwärtige Zeit, Bd.1, Dresden 1885, S. 225ff.
(10) Vgl. Karl Czok, August der Starke und Kursachsen, Leipzig 19903, S. 178ff.
(11) Einen zusammenfassenden Überblick über die Bautätigkeit im barocken Dresden mit weiterführen- der Literatur gibt: F. Löffler, Das alte Dresden, S. 113-203. Zum Typus der Residenzstadt siehe: Edith Ennen/ Manfred van Rey (Hrsg.), Probleme der frühneuzeitlichen Stadt, vorzüglich der Haupt- und Residenzstädte, in: Westfälische Forschung 25 (1973), S. 168 - 212. Jürgen Sysow, Die Residenz stadt in Südwestdeutschland, in: Werner Besch/ Klaus Fehn (Hrsg.): Die Stadt in der europäischen Geschichte. Festschrift für Edith Ennen, Bonn 1972, S. 771 - 783. Busso von Dollen, Vorortbildung und Residenzfunktion. Eine Studie zu den vorindustriellen Stadt-Umland-Beziehungen. Dargestellt am Beispiel Bonn-Poppelsdorf, Bonn 1978. Spiro Kostof, Das Gesicht der Stadt. Geschichte städtischer Vielfalt, Frankfurt- Main/New York 1992, S. 209 - 274.
(12) Vgl. Jean Louis Sponsel, Der Zwinger, die Hoffeste und die Schloßbaupläne zu Dresden, Text- und Tafelband, Dresden 1909 und 1924.
(13) Vgl. Karlheinz Blaschke, Die Umlandbeziehungen Dresdens als Residenzstadt (= Historische Raumforschung 11), Hannover 1974, S. 139 - 160.
(14) Vgl. Karl Czok, Geschichte Sachsens, Weimar 1989, S.174ff.
(15) Vgl. Otto Kaemmel, Sächsische Geschichte, Leipzig 1905, ND Dresden 1990, S. 115ff.