Der Ausschnitt eines Planes von 1874 zeigt den östlichen Teil der ehemaligen Seevorstadt mit der Bürgerwiese, dem Böhmischen (später Haupt-) Bahnhof und der Prager Straße.

5.3 Gestaltung der städtischen Grünzonen anhand von Beispielen

5.3.1 Anlage von Stadtparks (Bürgerwiese)


Ein großer Teil der Anziehungskraft und Schönheit Dresdens gründete bis weit ins 19. Jahrhundert hinein neben seiner reizvollen landschaftlichen Umgebung, auf der großen Anzahl von Gartenanlagen mitten in der Stadt. Die Residenz besaß eine ganze Reihe hervorragender königlicher und adliger Gärten, allen voran der barocke Große Garten.
Wie schon dargelegt, wurden die Flächen der Festungsmauer auf Altstädter Seite in öffentliche Promenaden, die Zwingeranlagen, den Botanischen Garten und in Privatgärten umgestaltet.
Die Ausweisung der meisten Stadterweiterungsgebiete als Viertel in offener Bauweise mit zu erhaltendem Gartencharakter gab Dresden in vielen Teilen den Eindruck einer Gartenstadt. Das Anpflanzen von Straßenbäumen im gesamten Stadtgebiet unterstützte noch diesen Eindruck. Aber nicht nur Privatgärten wurden angelegt, auch öffentliche Parks und Gärten wurden geschaffen. Ein herausragendes Beispiel ist die Umgestaltung der alten Ratswiese zum ersten Bürgerpark der Stadt.

Die Bürgerwiese
Die langgezogene Senke am Kaizbach zwischen Seevorstadt und Großem Garten gehörte seit dem Mittelalter zum städtischen Landbesitz und wurde bis 1838 als Viehweide genutzt. Da mit der Bauordnung von 1827 das Halten von Vieh in den Vorstädten weitestgehend unterbunden wurde, verlor die Wiese ihre Funktion. Private Anlieger richteten einen Vorschlag an die Finanzdiputation, die Brachfläche zu einer öffentlichen Parkanlage umzugestalten, da die hohe Mauer den Zugang zu den Grundstücken erschwerte und die Aussicht versperrte. (161)
Nachdem die Nutzung des Geländes für Eisenbahnzwecke ausgeschlossen war, griff der Rat 1843 auf die Anregung zurück und veranlaßte die Zuschüttung des 5 m tiefer gelegenen Terrains. Hofgärtner Carl Adolf Terschek, der bereits für die Gartenanlagen am Zwinger und Japanischen Palais verantwortlich war, entwarf die Pläne zur Ausgestaltung der neuen Bürgerwiese in den typischen Formen des Biedermeier mit Blumenbeeten, niedrigem Buschwerk und Schlängelwegen.
Nach Ausführung dieses Plans wandte sich 1858 der Rat an den preußischen Gartendirektor Peter Jospeph Lenné, den bedeutendsten Gartenarchitekten seiner Zeit, um den äußeren Teil der Bürgerwiese bis zum Großen Garten hin weiterzuführen. 1859 lieferte Lenné den Entwurf für die Fortsetzung der Bürgerwiese und darüber hinaus die Idee, die Bürgerwiese gestalterisch in den Großen Garten hineinzuführen.(162) Ebenso übernahm er die Gestaltung des angrenzenden Zoologischen Gartens. Bis 1869 konnten seine Pläne in der Form eines Landschaftsgartens durch den Dresdner Gartendirektor Gustav Krause etappenweise vollendet werden.
Die Finanzierung des gesamten Parkprojektes oblag gänzlich kommunaler Initiative. So stellt der erste Bürgerpark Dresdens ein selbstbewußtes bürgerliches Gegenstück zu den angrenzenden königlichen Gärten des Prinzen Max und des Großen Garten dar.

Die Erhaltung des besonderen Charakters Dresdens als einer Stadt im Grünen gestaltete sich jedoch mit der einsetzenden Gründerzeit immer schwieriger. Eine ganze Reihe von Privatgärten wurde unter den steigenden Bodenpreisen für die Innenstadt und durch strukturelle Veränderungen im Stadtgefüge in Bauland umgewandelt. So ergab sich aus dem Generalbauplan von 1862 die Freigabe des gesamten alten Vorstadtgeländes für geschlossene Bauweise und damit ein drastisches Zurückdrängen der Grünanteils. Dabei verschwand neben unzähligen Bürgergärten u.a. der kunsthistorisch wertvolle Park der Stuveschen Brunnenanstalt, welcher aus dem barocken Türkischen Garten hervorgegangen war. Auch mußte Palais und Garten des Prinzen Max den Anlagen des Elbumschlagplatzes weichen.(163)
Die Gestaltung öffentlicher Plätze mit Grünanlagen war für die allmähliche Umwandlung der Gärten und natürlichen Landschaft in dicht bebaute Stadtgebiete nur ein schmaler Ersatz.

5.3.2 Elbwiesen/ Elbuferkorrektur

Ein unschätzbarer städtebaulicher Gewinn bedeutete allerdings die Erhaltung der Elbwiesen im Zuge der Elbuferkorrektion.
Bis 1850 waren Flußbett und Ufertreidelpfade in einem relativ schlechten Zustand (Sandbänke, tote Flußarme etc.), so daß die Schiffahrt auf der Elbe nur ungenügend genutzt werden konnte. Das lag auch an den unsicheren Wasserverhältnissen, die außerordentlichen Schwankungen, besonders in heißen Sommermonaten und während der Tauwetterperiode im Frühjahr, unterlagen.(164) Nachdem 1845 das höchste Hochwasser seit Menschengedenken die halbe Dresdner Altstadt unter Wasser gesetzt hatte, wurden in den 50er Jahren erste Flußbegradigungen an der Weißeritzmündung vorgenommen.
Eine große Verbesserung für die Handelsschiffahrt ergab sich um die Jahrhundertmitte mit dem Anlegen fester Ausschiffungsplätze und einem Packhof am Kleinen Ostragehege. Auf Neustädter Seite kam 1851 ein Winterhafen für die Dampfschiffe dazu. Eine Erleichterung der Zollbestimmungen im Jahr 1863, die Konkurrenz der Eisenbahn und neue Möglichkeiten der Dampfschiffahrt und der Kettenschleppanlagen waren Impulse für den weiteren Ausbau der Elbe.
Ab 1861 begann man mit der Stromregulierung, die 1872 durch den Wasserbauinspektor Schmidt fortgesetzt wurde. Dieser hatte 1870 in einer Schrift, die Bezug nahm auf ein Projekt des Oberingeneurs Löhmann, auf die Gefahren einer Kanalisierung der Elbe nach Pariser Vorbild und einer Quaibebauung auf Neustädter Seite hingewiesen. Er plädierte für die Erhaltung des unbebauten Grünstreifens entlang der Elbe aus gestalterischen, hydrotechnischen und klimatischen Gründen.(165) Seine Argumente wurden von der Stadtverordnetenversammlung und dem Rat auch wegen der wesentlich niedrigeren Kosten berücksichtigt, und man verzichtete auf eine Uferbebauung, wie sie von Löhmann vorgeschlagen worden war.(166)
Während viele deutsche und europäische Städte ihre Ströme Ende des 19. Jahrhunderts in enge Kanäle zwängten (z.B. München, Wien, Rom, Moskau), gelang es Dresden bis heute, die 100 m breiten Uferwiesen zu erhalten, was der Stadt eine gewisse Großzügigkeit verleiht und die berühmte Silhouette aus einer Distanz von 150 Metern erst zur vollen Wirkung bringt. Lediglich die Altstadter Seite, aus der bereits die Festungsmauern mit der Brühlschen Terrasse aus der Elbe aufragten, wurde zu Schiffsanlegezwecken weiter befestigt. Außerhalb des Zentrums breitet sich auf beiden Seiten des Flusses eine fast naturnahe Auenlandschaft aus.

(161) RA, A XII 156, Bl.1/2, Schreiben der Finanzdeputation an die Stadtverordneten- versammlung, 8.1.1838.
(162) Vgl. G. Hinz, S. 430f.
(163) Diese Entwicklung ist nicht untypisch. Mit dem Wachstum der Städte im 19. Jahrhundert gerieten viele Vorstädte in den Sog der Verbauung. Reihenweise wurden z.B. auch in Wien adlige und bürgerliche Gartenanlagen parzelliert und durch Mietshäuser ersetzt. Vgl. Elisabeth Lichtenberger, Aspekte zur histor. Typologie städtischen Grüns, S. 29.
(164) Vgl. Die Elbe, ein Lebenslauf, Ausstellungskatalog des Deutschen Historischen Museums, Berlin 1992, S.45.
(165) Moritz Wilhelm Schmidt, Die Regulierung der Elbufer innerhalb Dresdens - unter Bezugnahme auf das Neustädter Elbquaiprojekt, Dresden 1870. Schmidt weist auf die Beeinträchtigung des einmaligen städtebaulichen Dialogs von Stadt und Flußlandschaft hin: "Die Aussicht von der Brühlschen Terrasse aus dürfte mit Herstellung der hohen Mauer längs des Neustädter Elbufers und dahinter ausgeführten Gebäude eine Einbuße erleiden. (...) Die Gebäude werden jede Fernsicht benehmen. Während der Strom selbst zwischen diesen beidseitigen colossalen Steinmassen im Sommer bei niedrigen Wasserständen einen sehr kläglichen und trübseligen Anblick bieten wird." S. 16.
(166) LSTA, MdI 11 442, Die Elbuferregulierung betr., 7.1.1869.