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5. Dritte Phase der Stadtentwicklung bis zum Beginn
der 70er Jahre des 19. Jahrhunderts
Der Weg zur Großstadt
Um 1850 überschritt Dresdens Bevölkerung die Zahl von 100 000. Mit dem rapiden Einwohnerzuwachs,
einer demographischen Revolution gleichend, änderte sich der Charakter der beschaulichen
Residenzstadt rascher. Die Stadt entwickelte sich zunehmend zur Großstadt, die neben der
demographischen Ballung einen Eisenbahnknotenpunkt und allmählich auch ein Industriezentrum
aufwies.
Zunächst tat sich die biedermeierliche Residenz- und Kunststadt schwer, die neuen Realitäten
der sich dynamisch entwickelnden Großstadt zur Kenntnis zu nehmen. Eine kleinstädtische
Bürokratie schreckte vor den Belastungen großer moderner Städte, wie man sie in Paris,
London und Wien vor Augen hatte, zurück. Doch die Stadt nahm immer mehr jene Faktoren an,
die eine Großstadt kennzeichen: große Flächenausdehnung, Komplexität, Multifunktionalität und
Zentralität.(121)
Im Folgenden soll aufgezeigt werden, wie die Stadt mit den Bedingungen und Herausforderungen
im Urbanisierungsprozeß der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis zur Gründerzeit umging.
Maiaufstand 1849
Anfang Mai 1849 fanden in Dresden blutige Barrikadenkämpfe zwischen liberal-demokratisch
gesinnten Bürgern und den Truppen des sächsischen Königs statt. Die Ablehnung der Frankfurter
Paulskirchenverfassung durch König Friedrich August II. und dessen Landtagsauflösung hatten
eine brisante Zuspitzung ausgelöst, welche mit Unterstützung preußischer Truppen
niedergeschlagen wurde.
Auf die städtebauliche Entwicklung Dresdens hatten die Kämpfe, sieht man von Zerstörungen
einiger historischer Gebäude, wie z.B. des Pöppelmannschen Opernhauses am Zwinger oder des
Glockenspielpavillion ab, keinen nennenswerten Einfluß. Die politischen Ergebnisse dieser
bürgerlichen Revolution waren jedoch für die weitere Entwicklung der Stadt von nicht geringer
Bedeuung, brachten sie doch neue Kräfte an die Spitze der Staatsregierung, allen voran den
konservativen Freiherrn von Beust. Friedrich Ferdinand von Beust gehörte dem neuen
Beamtenministerium an, welches im Februar 1849 vom König eingesetzt wurde, nachdem das
liberale "Märzministerium" unter Braun freiwillig zurückgetreten war. Freiherr von Beust,
als Staatsminister bis 1866 die freiheitlich liberalen Bestrebungen der jungen Demokraten
radikal unterdrückend, stand glücklicherweise Fragen des Städtebaus und einer geordneten
Stadtgestaltung aufgeschlossen gegenüber. Er wurde 1854 vom Ministerium des Inneren zum
Vorsitzenden einer "Bau- und Verschönerungskommission" berufen. Aufgabe dieser Kommission
war es u.a., Anregungen für "geschmackvolle Bauten" zu geben und in städtebaulicher
Hinsicht "...für unbebaute oder dem Anbaue zu unterwerfende Stadtteile Baupläne mit Rücksicht
auf möglichste Verschönerung der Stadt und der Zweckmäßigkeit Rechnung tragende Grundsätze
festzustellen".(122)
Die Notwendigkeit einer solchen Einrichtung war trotz der strengen Sächsischen Bauordnung
von 1827 und dem Wirken der städtischen Baupolizei erforderlich, denn der wachsende Umfang
des Baugeschehens machte eine Kontrolle immer schwieriger. Das Ministerium des königlichen
Hauses hatte Anfang 1854 zur Wahrung des Residenzstadtcharakters diesen unbefriedigenden
Zustand scharf kritisiert. Es heißt u.a., "(...) daß die Ausdehnung der Residenz bis jetzt
leider sehr plan- und geschmacklos vor sich gegangen ist".(123)
Diese herbe, sicher etwas überzogene
Kritik läßt sich nicht zuletzt auf eine ungenügende Koordinierung zwischen dem Wirken der
städtischen Baupolizei und der Landesbehörde zurückführen.
Bereits 1844 hatte die Kreisdirektion darauf aufmerksam gemacht, daß auf allen Seiten der
Umgebung Dresdens die "Parcellirungs- und Bauprojecte (...) keinen zusammenhängenden
Erweiterungs- und Verschönerungsplan, sondern nur den beabsichtigenden Gewinn einzelner
Speculanten ihren Ursprung verdanken".(124)
Die Bau- und Verschönerungskommission erarbeitete die fehlenden allgemeinen Baupläne und
versuchte, Baugelände für zu erwartende größere Unternehmen frei zu halten oder zu beschaffen
und damit einen geordneten und repräsentativen Ausbau der Landeshauptstadt zu sichern. Der
Kommission gehörten neben Beust der Oberbürgermeister der Stadt, der Vorstand der städtischen
Baupolizei, Vertreter des Finanz- und Kriegsministeriums, als Vertreter des Akademischen Rates
der Architekt Hermann Nicolai und der Maler Ernst Friedrich August Rietschel und schließlich
der Landbaumeister Karl Moritz Hänel an.(125)
(121)
Diese Merkmale sind nach Elisabeth Pfeil
charakteristisch für den Begriff "Großstadt".
Vgl. E. Pfeil, Großstadtforschung, Hannover 1972,
S. 2ff. Zu charakteristischen Ursachen der
Großstadtbildung in Deutschland siehe auch: P.
Schöller, S. 275ff.
(122)
RA, A XXIII 197, Errichtung einer Baucommission,
28.6.1854.
(123)
HStA, MdI 11 503, Die im Jahre 1854 für Dresden
errichtete Bau- und Verschönerungskommission...,
20.4.1854.
(124)
HSTA, MdI 11 493, Den Schleppachschen
Bebauungsplan an der äußeren Bautzner Chausee
betreff., 11.1.1844.
(125)
Vgl. Otto Richter, Eine Dresdner Baukommission
1854-65, in: Dresdner Geschichtsblätter, Nr.1,
1906, S. 78-80.
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