Dresden 1807

3. Erste Phase der Stadtentwicklung am Beginn des 19. Jahrhunderts


3.1 Entfestigung der Stadt


Dresden stellte sich um 1800 noch immer als massive Festungsstadt dar, umgürtet von der frühneuzeitlichen Stadtmauer (Abbildung Nr.1, Dresden 1807). Dieses platzraubende Verteidigunglager war jedoch im Laufe der Zeit der sich rasch entwickelnden Militärtechnik nicht mehr gewachsen und stand zudem einer Stadtausdehnung im Weg. Aus diesem Grund gab es bereits ein halbes Jahrhundert vor Beginn des Festungabrisses 1809 verschiedene Pläne zur Schleifung der Stadtbefestigung. (16)
Ein Jahr vor Beendigung des Siebenjährigen Krieges, 1762, wurden mehrere Entwürfe zur Beseitigung der Kriegsschäden in der von Belagerungen und Bränden stark zerstörten Stadt erarbeitet.(17) Darin verband man den Wiederaufbau der Stadt mit einer generellen Stadtneuordnung, wobei man vom Abriß der unbrauchbar gewordenen Festungsmauer ausging. Der sächsische Kurfürst Friedrich August II., als polnischer König Friedrich August III., hatte dazu selbst den Auftrag gegeben, da der Monarch der Ansicht war, eine offene Stadt könne sich wirtschaftlich viel besser entwickeln.(18)
Die Oberlandbaumeister Julius Heinrich Schwarze und Friedrich August Krubsacius sowie der Oberhofbau-meister Francois de Cuvilliés lieferten Pläne zur Abtragung der Festungswerke und Neugestaltung des freigewordenen Terrains. (19)
Sämtliche Pläne kamen nicht zur Ausführung, da Friedrich August III. 1763 starb. Das geschwächte Sachsen konnte nach der Niederlage gegen Preußen die finanziellen Mittel zu solch umfangreichen Baumaßnahmen nicht mehr aufbringen.

Erste Phase 1809 (Hauptmann-Plan)

1809 nahm man das Projekt des Festungsabrisses wieder auf. In der Hauptstadt des sich modernisierenden Landes sollte nun einem Ausbau der Residenz nicht länger die Fessel der einzwängenden Festungsanlagen im Wege stehen. Die Behinderungen des Verkehrs durch die geringe Zahl der Stadttore, die fehlende Anbindung der Vorstädte an die Altstadt und das stehende und faulige Wasser des Festungsgrabens waren Gründe genug, die nutzlos erscheinende Festung niederzulegen.
Im Jahr 1809 wurde deshalb auf Anordnung des sächsischen Königs Friedrich August I., wahrscheinlich aber auf Veranlassung Napoleons(20) , mit den Abbrucharbeiten begonnen.(21) Die Organisation der sogenannten Demolierungs-Kommission wurde dem Vize-Präsidenten des Geheimen Kriegsratskollegium v. Broizem übertragen. Die städtebauliche Planung übernahm der Oberlandbaumeister Johann Gottlob Hauptmann.
In seinem 1811 vorgelegten Plan zur Umgestaltung der Stadt(22) sah Hauptmann anstelle einer Ringallee, wie es die Pläne von Schwarze und Cuvilliér anstrebten, Gärten vor, die den angrenzenden Grundstücken zugeschlagen werden sollten. An den bisherigen drei Toren sollten Plätze den Verkehr zwischen der inneren Stadt und den Vorstädten vermitteln.
Dieser Plan wurde, soweit er sich auf die Altstadt bezog, von der sächsischen Regierung abgelehnt. Statt dessen ordnete sie den Bau einer Ringallee rings um die Altstadt an.(23)
Für die Neustadt entwarf Hauptmann in der Verlängerung der Achse Hauptstraße in Höhe des Schwarzen Tores einen großen Rundplatz(24) in offener Bauweise, der die Königsstraße in einen neuen symmetrischen Grundriß integrieren sollte. Diese städtebauliche Idee und der Gedanke einer Freitreppe vom Schloßplatz zur Brühlschen Terrasse wurden später tatsächlich umgesetzt.

Während des Rückzuges der Grande Armée aus Rußland wurde Dresden noch einmal Kriegsschauplatz, in dem die Stadt zwischen die Fronten der Verbündeten und Napoleons Truppen geriet.
Die französische Besatzungsmacht ließ 1812 die Abrißarbeiten zum Abbau der Stadtmauer einstellen und die teilweise abgebrochene Festung wieder in den Verteidigungszustand versetzen.(25)
Die entscheidende Schlacht am 26./27. August 1813 fand dann allerdings weit vor den Toren Dresdens statt, so daß die Stadt wenig in Mitleidenschaft gezogen wurde und die Befestigungsanlage funktionslos blieb.

Bei der Erstürmung Leipzigs am 19.Oktober 1813 wurde König Friedrich August I. von den Verbündeten gefangengenommen. In Dresden, das am 11. November 1813 von der französischen Besatzung frei wurde, übernahm ein russisch-preußisches General-Gouvernement unter dem Fürsten Repnin-Wolkonski an der Spitze die Regierungsgewalt.

(16) Vgl. F. Löffler, Das Alte Dresden, S. 320f.
(17) Vgl. F. Rötschke, Die Festung Dresden, S.5ff.
(18) Vgl. F. Rötschke, S.10.
(19) Ausführliche Beschreibung der Pläne von Schwarze, Krubsacius und Cuvillies bei: F. Rötschke, S. 7-25.
(20) Vgl. F. Rötschke, Die Festung Dresden, S. 26.
(21) Am 13.11.1809 erging vom König ein Beschluß an das Militärdepartement des Geheimen Kabinetts, alle Schanzen und Festungswerke abtragen zu lassen. HSTA, Loc. 2505, Vol. I., Bl.39. Acta, die Demolierung der Festungswerke betr., 1809.
(22) Der Hauptmann-Plan ist eingehend beschrieben bei: F. Rötschke, Die Festung Dresden, S. 25-34.
(23) Vgl. Heinrich Haug, Die Demolition der Dresdner Festungswerke, in: Dresdner Geschichtsblätter II, 1898, S. 111.
(24) Die Idee Hauptmanns von einem Rundplatz vor dem Schwarzen Tor basiert auf einem Bebauungsvorschlag des Gouverneurs Rutowski aus dem Jahre 1755. Vgl. Heinrich Haug, Die Entstehung der Antonstadt, in: Dresdner Geschichtsblätter 1, 1896, S. 245.
(25) Vgl. E. Papke, Fortifikationsgeschichte, S. 42.